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Anthem – Test

Publisher: EA Games
Release Date: 22.02.2019
Plattformen: PS4, XBox One, PC

Die Demo habe ich noch gut im Kopf. Nicht, weil sie erst kürzlich lief, sondern weil sich der Shared-World-Shooter von Bioware technisch und inhaltlich unausgegoren zeigte. Lange Ladezeiten, Spielabstürze und viele Unklarheiten um den eigentlichen Spielverlauf trieben mir Sorgenfalten auf die Stirn. Nach dem ersten Wochenende im Javelin-Kampfanzug kamen einige neue hinzu …

Besitzer eines Premier-Abos bei EA Origin können bereits seit dem 15. Februar die Vollversion von Anthem auf dem PC spielen. Meine Eindrücke aus dem Testlauf waren noch sehr frisch. Andeutungen des Potenzials gab es durchaus, doch wirklich packen konnte mich Biowares Pendant zu Destiny und Co. bisher nicht. Vor allem die Ladezeiten und plötzlichen Abstürze aufgrund von Serverproblemen nervten ziemlich. Aber okay, es war eine Demo und die ist schließlich dafür da, solche Probleme zu erkennen und für den endgültigen Release abzustellen. Darauf hoffte ich genau wie viele andere Early-Access-Spieler. Hat es etwas geholfen?

Die erste Mission dient als Tutorial und ist bereits aus der Demo bekannt. Als frischgebackener Freelancer mache ich mich mit den Grundlagen meines Javelin-Kampfanzugs vertraut. Die wichtigsten Funktionen sind schnell verstanden, funktioniert doch fast alles wie im Gros der Third-Person-Shooter. Den Unterschied machen die Waffensysteme und die Fähigkeit aus, jederzeit fliegen zu können. Komplex gestaltet sich das aber nicht, vielmehr setzt Anthem auf eingängige Kontrollen ohne irgendwelchen Ballast.

Nach der Einführung im Rückblick geht es in die Gegenwart. Zentraler Anlaufpunkt in Anthem ist Fort Tarsis, eine große Stadt inmitten der Wildnis des Planeten Bastion. Der sollte eigentlich paradiesisch werden, doch seine Erschaffer ließen ihn unvollendet zurück. Seitdem wuchert das Leben unkontrolliert vor sich hin – statt eines Garten Eden gibt es zahlreiche Bedrohungen außerhalb der Mauern des Forts. Als Freelancer ist es meine Aufgabe, die Stadt und ihre Einwohner zu beschützen. Entsprechend schnell geht es wieder rein in den Javelin und raus in die feindselige Natur.

Dürftige Story

Anthems Kampagne läuft anders als die der Konkurrenten ab. Destiny und The Division nutzen die Story primär, um mir die wichtigsten Spielelemente vorzustellen und mich damit Stück für Stück auf das Endgame vorzubereiten. Bei Anthem hingegen habe ich auch nach einigen Stunden Spielzeit keinen Ahnung, in welche Richtung es geht. Haupt- und Nebenaufgaben scheinen willkürlich aufzutauchen und sind nur durch unterschiedliche Einträge im Questlog voneinander zu unterscheiden.

Auch das Annehmen der Missionen läuft identisch ab: Ich laufe durch Fort Tarsis und rede mit verschiedenen Leuten, die mir jedes Mal ein Ohr abkauen. Weil ich nicht weiß, ob ihre Infos wichtig oder egal sind, höre ich mir alles an – nur um danach festzustellen, dass es belangloser Smalltalk war. Mit Zwischensequenzen geht Anthem bisher ebenfalls sparsam um: Meist sehe ich meinem Gegenüber ins Gesicht, während er teils unpassend mit den Armen fuchtelt oder sich plötzlich wegdreht. Weil die deutschen Sprecher ihre Arbeit professionell erledigen, fällt das Gezappel umso negativer auf.

Abseits der Questgeber findet sich im Fort aber auch ein Laden für kosmetische Items, der neue Kostüme und Farben zur Personalisierung meines Anzug anbietet. Während diese auch gegen Echtgeld zu kaufenden Extras keinerlei spielerischen Nutzen mit sich bringen, nimmt die Schmiede schon eine deutlich größere Rolle ein. Hier statte ich meinen Anzug nämlich mit Schuss- und Spezialwaffen sowie anderen Upgrades aus.

Dabei kommen erstmals die RPG-Elemente zum Tragen: Sturm- und Scharfschützengewehre, Pistolen sowie Schrotflinten verursachen normalen Schaden, Spezialangriffe hingegen bringen unterschiedliche Effekte ins Spiel: Mein erster Javelin, der Allrounder Ranger, kann eine Granate und eine Abschussvorrichtung nutzen. Während der Sprengsatz Feinde einfriert, in Brand setzt oder einfach mit einer Explosion erledigt, wähle ich bei der Vorrichtung zwischen zielsuchendem Geschoss, giftigen Pfeilen oder einem konzentrierten Laserstrahl. Doch vor dem Nutzen kommt das Finden, womit wir beim Loot-System wären.

Überraschungsangriff

Hier holte sich Bioware starke Inspiration von Bungies Destiny. Im Spiel ballert ihr reihenweise Gegner über den Haufen, darunter tierische wie menschliche Gegner. Letztere gehören zur Fraktion des Dominion, das seine ganz eigenen dunklen Pläne mit dem Planeten und seinen schöpferischen Kräften verfolgt. Letzten Endes ist jedoch egal, wer oder was mir vor die Flinte kommt – geschossen wird einfach immer. Dabei gilt: Je größer und stärker der Gegner, umso besser ist meine Chance auf hochwertigen Loot. Zusätzlich ist das System an die drei Schwierigkeitsgrade gekoppelt, zwischen denen ihr vor jedem Ausflug nach Bastion wählen könnt.

Die Action ist das Herzstück und die Stärke von Anthem. Im Gegensatz zu den Konsolenversionen (diese erreichen uns im Laufe der Woche) läuft der Shared-World-Shooter auf dem PC konstant mit 60 Bildern pro Sekunde. Das verschafft dieser Version ein dickes Plus an Dynamik und ein spürbar besseres Gunplay. Schießen, ausweichen, wegfliegen, schweben, Rakete abfeuern – alles geht sehr flott und geschmeidig vonstatten. Dazu sieht die Spielwelt teilweise phantastisch aus: Gleißendes Licht, satte Kontraste sowie organisch wirkende Flüsse, Felsen, Wiesen und Höhlen machen wirklich etwas her.

Doch schon im nächsten Moment leidet der gute Eindruck. Mehrmals erlebe ich, dass um mich herum Landschaftsstrukturen, Gebäude und Gegner aus dem Nichts ins Bild kommen. Regelmäßig fehlen Texturen oder werden nur langsam geladen, sodass die eigentlich schöne Welt leider erst vor mir entsteht. Auch innerhalb von Fort Tarsis poppen ständig, NPCs, Wände und mehr plötzlich auf.

Bitte warten – Ihr Spiel wird geladen

Leider haben es die üppigen Ladezeiten und abrupten Verbindungsabbrüche aus der Demo ins Spiel geschafft. Beim Start einer Mission und Betreten einiger Bereiche, bei der Rückkehr ins Fort und auch beim Besuch der Schmiede muss ich warten – und zwar lange! In der Regel dauert es über eine Minute, bis ich wieder spielen darf. Selbst die Installation auf einer SSD-Festplatte änderte daran nichts.

Häufig ging es gar nicht weiter, sodass ich das Spiel neu starten musste. Dazu kommen mehrfache Abstürze mitten in einer Mission oder beim Aufenthalt in Fort Tarsis. Zwar speichert Anthem aufgrund der ständigen Onlineanbindung regelmäßig, dennoch sind diese heftigen Verbindungsprobleme der größte Spielspaßkiller und aktuell ein Armutszeugnis für Bioware und Electronic Arts.

Läuft alles reibunglos, macht Anthem auch allein viel Laune. Die unkomplizierte Action und die saubere Steuerung lassen mich schon bald richtig unter den Feinden aufräumen. Doch erst im Team zeigt sich die wahre Stärke des RPG-Shooter-Hybriden. Dafür sind insbesondere die vier verschiedenen Javelin-Klassen mit ihrer jeweiligen Ausrichtung verantwortlich.

Der Ranger bietet eine solide Mischung aus Angriff und Verteidigung. Der Colossus fungiert als Tank, der richtig austeilen kann. Als Storm schwebe ich über dem Schlachtfeld und setze Elementarangriffe wie Eis und Feuer ein. Dagegen ist der Interceptor ein schneller und fähiger Kämpfer auf kurze Distanz. Bisher konnten wir nur Ranger und Colossus spielen, da die Freischaltung eines neuen Javelins an bestimmte Level gebunden ist.

Viel Aufwand für ein bisschen Loot

In der Regel spiele ich die Missionen gemeinsam mit anderen Freelancern, die mir zufällig zugeteilt werden. Ich könnte auch allein losfliegen, nur beim Freien Spiel sowie den Festungen (sie ähneln den Strikes in Destiny 2) muss ich mir die Spielwelt zwangsläufig mit anderen teilen. Doch zusammen ist es zum einen einfacher, weil man mehr Feuerkraft besitzt. Zum anderen werden Erfahrungspunkte eher großzügig geteilt. Darum lohnt es sich also doppelt, in Gesellschaft zu arbeiten. Allerdings geht es wirklich nur gemeinsam weiter, denn wer während einer Mission zurückfällt oder eine Solotour starten will, wird nach wenigen Sekunden zu den Kollegen teleportiert.

Während das kein Problem ist, sondern nur den Bewegungsradius etwas einschränkt, stört die Respawn-Mechanik tatsächlich den Spielfluss: Gehe ich zu Boden, kann ich nicht selbst neu starten, sondern muss bewegungslos ausharren, bis mir ein Kamerad aufhilft oder das gesamte Team draufgeht. (Korrektur 5. März, 10.18 Uhr: Nur in gewissen Zonen ist man auf die Hilfe eines Kameraden angewiesen. Außerhalb dieser Bereiche kann der Neustart selbst ausgelöst werden.) Dabei kann ich weder ins Menü noch den Kollegen über die stählerne Schulter schauen. Das sollte unbedingt bald gepatcht werden, verdammt es doch zu langen Wartezeiten und schwächt das Team unnötig.

Große Probleme bekomme ich trotzdem nicht. Auf Normal ist die Story nur selten fordernd, die meisten Aufgaben sind Selbstläufer. Selbst auf Schwer geht es mit einem einigermaßen fähigen Team in der Regel zügig voran. Das macht alles durchaus Laune, denn die Action ist und bleibt flott, zugänglich und wuchtig.

Nach dem Ende einer Mission wird abgerechnet. Jeder Spieler erhält Erfahrungspunkte sowie Medaillen für bestimmte Abschüsse oder das Aufhelfen von gefallenen Kameraden. Daneben verdiene ich Münzen im Rahmen eines Allianzsystems, welches das Zusammenspiel mit Freunden und Fremden belohnt. Besagte Währung kann ich später für kosmetische Gegenstände und Ressourcen einsetzen.

Außerdem erfahre ich am Missionsende, was sich hinter dem Loot verbirgt, den ich gesammelt habe. Das sind im Grunde immer stärkere Varianten bekannter Waffen und Ausrüstungsteile. So ersetze ich mein gerade aktives Scharfschützengewehr durch das nächstbessere Modell, das Gleiche passiert mit der Pistole und so weiter. Dieses Prozedere gilt genauso für Upgrades, die meinen Javelin länger fliegen lassen, die Schusswaffen stärken oder den Schild verbessern.

Altes oder doppeltes Zeug wird in Crafting-Ressourcen zerlegt. Diese setze ich ein, um selbst neue Knarren oder Verbesserungen herzustellen. Das geht jedoch maximal bis zu der Stufe, auf der sich meine aktuell beste Waffe oder mein bestes Upgrade befindet. Überdies muss ich durch das Erfüllen von Herausforderungen im Spiel zuvor den entsprechenden Bauplan freischalten. Erklärt wird mir das alles kaum, denn damit tut sich Anthem generell schwer. Das gilt auch für die verschiedenen Javelins.

Neuer Anzug gefällig?

Auf Level 2, 8, 16 und 26 darf ich jeweils einen weiteren Anzug freischalten. Mein Level ist unabhängig davon, darum kann ich bereits freigeschaltete Waffen und Upgrades direkt benutzen. Dass jeder Javelin unterschiedliche Fähigkeiten besitzt und im Kampf anders genutzt werden sollte, darüber schweigt das Spiel jedoch weitgehend. Mehr als eine kurze Textbeschreibung bekomme ich nicht, den Rest muss ich selbst herausfinden.

Das Kombosystem wird ebenfalls kaum erläutert: Durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Angriffe kann mein Team mehr Schaden als gewöhnlich austeilen. Friere ich etwa einen Gegner ein, kann ihm mein Kollege anschließend mit einer Rakete empfindlich zusetzen. Säure und Feuer haben ähnliche Effekte.

Durch das Zusammenspiel mit anderen kristallisiert sich schnell heraus, dass vor allem Storm und Colossus die Schwergewichte im Kampf darstellen. Als Ranger fühle ich mich dagegen in vielen Situationen beinahe kraftlos: Während um mich herum die schweren Geschütze des Colossus rattern und der Storm mit mächtigen Eis- und Feuerangriffen alles wegfegt, nehme ich zumeist einzelne Gegner mühsam mit Gewehr, Granate und Rakete aufs Korn.

Selbst auf höherem Level fühle ich mich im Verbund mit besagten Klassen limitiert und oft wie das schwächste Glied in der Kette. Auch der Interceptor hat mir, gerade im Nahkampf, einiges voraus. So scheint der Ranger angesichts der aktuellen Ausrichtung keine Klasse für das Endgame zu sein, weil es ihm an Zähigkeit und Durchschlagskraft fehlt.

Ebenfalls bemerke ich bereits im Verlauf der Story, dass mich das Loot-System nicht sonderlich motiviert. Zwar erhalte ich regelmäßig bessere Ausrüstung, jedoch handelt es sich dabei wie bereits erwähnt um den ständig gleichen Kram. So sinkt die Freude über neue Beute rapide, weil ich ohnehin weiß, was ich bekomme.

Schmerzlich vermisse ich auch die Möglichkeit, während einer Mission meine Ausrüstung zu verändern. Am Anzug schrauben kann ich ausschließlich in der Schmiede. Im Kampf bin ich auf meine aktuellen Gegenstände festgelegt. Das ist besonders im Hinblick auf das Teamspiel eine Einschränkung: Wenn ich feststelle, dass in der Gruppe ein Scharfschütze fehlt oder die Feuergranate sinnvoll wäre, ist es für Änderungen zu spät.

Wo ist die Abwechslung?

Abseits der Story hält Anthem bisher ebenfalls wenig bereit. Von Zeit zu Zeit kann ich verschiedene Personen in Fort Tarsis ansprechen und somit Nebenaufgaben erhalten, die spielerisch keine Veränderungen mitbringen. Von den sogenannten Festungen durfte ich nur eine spielen, und zwar die aus der Demo hinlänglich bekannte Mine der Tyrannin. Ansonsten sammle ich Dokumente mit Hintergrundinformationen zu Geschichte und Spielwelt, die sowohl in Fort Tarsis als auch an einigen Stellen in der Spielwelt herumliegen. Darüber hinaus kann ich im Freien Spiel zufällig auftretende Missionen absolvieren, deren Frequenz aber sehr gering ausfällt und die sich inhaltlich ebenfalls wiederholen.

Nachdem ich die Story und alle bis dahin verfügbaren Nebenbeschäftigungen abgeschlossen habe, hoffe ich auf eine Initialzündung beim Einstieg ins Endgame. Endlich neue Aufgaben erledigen, fetten Loot abgreifen und frische Fähigkeiten freischalten – das ist mein Wunsch. Leider hat Anthem andere Pläne.

Neu sind zu Beginn lediglich zwei weitere Festungen, von denen eine schlicht das letzte Storylevel kopiert, sowie eine Handvoll Nebenmissionen nach bekanntem Muster. Meine primäre Aufgabe besteht darin, die Herausforderung der Tapferkeit zu erfüllen: eine Sammlung verschiedener Unteraufgaben, darunter 25 Festungen absolvieren und andere Spieler bei ebenso vielen Einsätzen unterstützen.

Also steige ich wieder in meinen Javelin und mache da weiter, wo ich eigentlich aufhören wollte. Trotzdem bleibt die Hoffnung bestehen, dass Anthem bald die Handbremse löst. Denn trotz all der Kritik mag ich die Action, die hübsche Welt und die unterschiedlichen Javelins nach wie vor. Das Potenzial ist durchaus spürbar, doch langsam sollte es auch ausgeschöpft werden. Und wenn nicht im Endgame, wann dann?

Nachdem ich bereits mit Javelin-Level 19 die Story beendet hatte, stand einige Stunden Grinden auf dem Plan. Denn erst ab Stufe 30 öffnet sich bei Anthem das Endgame. Gehen damit auch endlich neue Missionen, fette Bosse und geiler Loot einher?

Nach dem Ende der drögen Geschichte saß ich leicht perplex vor dem Bildschirm. Von The Division und Destiny war ich gewohnt, dass mit dem Abschluss der Kampagne das Endgame anfängt. Doch bei Anthem ist das anders – wie so vieles. Die nächsten Stunden geht es also nur darum, auf Stufe 30 aufzusteigen.

Meine Hoffnung, nun zumindest neue und anders aufgebaute Missionen zocken zu dürfen, musste ich schnell begraben. Verschiedene Personen in Fort Tarsis halten regelmäßig Aufgaben für mich bereit, die nach dem bekannten Muster ablaufen. Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich die immer gleichen Einheiten von Skar und Dominion inzwischen über den Haufen geschossen habe. Wollte oder konnte Bioware nur eine Handvoll Feindtypen in Anthem unterbringen? Muss ich für neue Gegner auf einen DLC warten? Oder will mir das Spiel mit dieser Monotonie irgendetwas sagen?

Ich habe Zeit, mir diese und weitere Fragen zu stellen. Schließlich spule ich praktisch nur noch Automatismen ab. Ja, im Prinzip machen die Ballereien nach wie vor Spaß. Weil ich praktisch immer im Squad zocke, kracht und knallt es wunderbar, wenn vier Freelancer loslegen. Löblich ist auch der Zusammenhalt, denn wenn ich am Boden liege, kommt eigentlich immer ein Teammitglied herbei und hilft mir auf.

Kurzes Vergnügen

Inzwischen zocke ich nur noch auf Stufe „Schwer“, denn das erhöht die Chance auf den lilafarbenen, epischen Loot. Damit wird glücklicherweise nicht gegeizt, sodass ich meinen Javelin nach fast jeder Mission verbessern kann. Nach wie vor setze ich primär auf den Ranger, einfach weil ich mich an diese Klasse gewöhnt habe. Dennoch bleibt sein Potenzial beschränkt. Denn auch mit zunehmender Spielzeit nebst höherem Level kommen keine neue Fähigkeiten hinzu.

Ich muss weiterhin mit zwei Schusswaffen, Granate und Abschussvorrichtung in den Kampf ziehen. Ehrlich gesagt reicht das bisher aber auch, da keine der verfügbaren Missionen taktische Meisterleistungen erfordert. Auf Schwachstellen ballern, ausweichen und zwischendurch Munition einsammeln genügt nach wie vor, um jeden Einsatz ohne Probleme abzuschließen. Ganz klar machen dabei Storm und Colossus die meiste Arbeit, denn beide Klassen haben richtig Power.

Ich reihe also Mission an Mission und nähere mich schrittweise dem ersehnten Level 30. Mitten in diese Tristesse mischt sich eine Überraschung. Ungefähr bei Javelin-Level 26 erhalte ich auf einmal meine erste Waffe der höchsten Stufe „Meisterhaft“. Die Pistole mit Stärke 58 übertrifft alle anderen Knarren um ein Vielfaches. Auch bringt sie eine besondere Eigenschaft mit: Wenn ich während des Schwebens schieße, erhöht sich der Schaden um 200 Prozent. Auch die übrigen vier Perks können sich sehen lassen. Meine Freude ist vor allem deshalb groß, weil nach zig Stunden Spielzeit erstmals etwas Unerwartetes passiert ist.

Ich bin Großmeister!

Anschließend geht es in bekannter Manier weiter. Nach jeder Mission führt der Weg in die Schmiede. Dort tausche ich mein leichtes Maschinengewehr der Stufe 34 gegen das leichte Maschinengewehr der Stufe 35, setze das bei der Granate fort und verfahre genauso bei den Komponenten zur Verbesserung von Angriffskraft oder Schild.

Die Dialoge im Vorfeld eines Auftrags breche ich gleich ab, weil die Figuren ohnehin nur heiße Luft absondern. Es geht um geheimnisvolle Relikte, böse Monster und große Helden, doch mittlerweile weiß ich, dass hinter dem ganzen Blabla nichts steckt. Sobald ich mit meinem Javelin loslege, erwartet mich der übliche Trott. Von epischen Momenten wird in Anthem leider nur gesprochen, spielen kann ich sie nicht.

Dabei wäre so viel mehr möglich, denn allein die Größe und Gestaltung der Spielwelt Bastion bietet massig Raum für Abwechslung. Auf dem Weg zum nächsten Gefecht sehe ich ständig Schauplätze, an denen etwas passieren könnte, doch die bleiben eine hübsche Kulisse. Genauso sind Gebiete unter Wasser lediglich schmückendes Beiwerk: Ich kann abtauchen, doch mehr als ein paar sammelbare Ressourcen erwarten mich dabei nicht. Statt Kämpfe an interessanten Orten auszutragen, rase ich zumeist nur an Letzteren vorbei.

Nachdem ich endlich Stufe 30 erreicht habe, werden drei neue Schwierigkeitsgrade freigeschaltet: Großmeister 1 bis 3. Jeder davon geht mit einer Empfehlung für meine Javelin-Stufe einher. Vorerst ist nur Großmeister 1 realistisch und bereits hier geht es ordentlich zur Sache: Die Feinde sind zäher und verursachen mehr Schaden, dafür purzeln allerdings bald schon die nächsten beiden Meisterwerkgegenstände heraus. Weitere zu erhalten und damit den Anzug fortlaufend stärker zu machen, ist aktuell der Inhalt des Endgames. Also wird bis auf Weiteres wiederholt, bis der Anzug glüht.

Abseits der regelmäßig respawnenden Nebenaufgaben und der drei Festungen ist bei mir nur noch die Herausforderung der Tapferkeit offen – und das seit dem Ende der Story. Dabei wird es aber auch bleiben: Ich habe weder Lust, 25 Festungen zu absolvieren, noch 100 Ereignisse in der offenen Welt mitzumachen. In ein paar Wochen schaue ich erneut rein, um zu sehen, was sich getan hat. Bioware hat noch Pläne für die kommenden Wochen, darunter neue Aufgaben und Belohnungen, ein erweitertes Fortschrittssystem sowie besondere öffentliche Events. Doch vorerst lege ich eine Pause ein, denn derzeit hat mir Anthem nichts mehr zu bieten.

Fazit

Es bieten sich so viele Chancen, aber Anthem lässt sie alle liegen. Immer wieder blitzt etwas Klasse auf, vor allem bei der Action und der Spielwelt. Doch dabei bleibt es leider, und das enttäuscht mich am meisten. Bioware hatte Ideen für Aufmachung und Stil, aber offensichtlich nicht für Inhalte. Natürlich gehören Wiederholungen auch bei Destiny und Division zum spielerischen Alltag, doch beide Schwergewichte liefern eine zumindest kurzweilige Story, nach deren Ende sich das Spiel öffnet und mit neuen Herausforderungen und Gebieten aufwartet.

Anthem dagegen fährt von Anfang bis Ende die immer gleiche Schiene. Ob ich eine Kampagnenmission spiele oder ein freies Spiel im Schwierigkeitsgrad Großmeister 1 angehe, macht quasi keinen Unterschied. Die einzigen nennenswerten Bosse warten am Ende der Story sowie in den mageren drei Festungen. Anthem gibt mir das Gefühl, in einer Endlosschleife festzustecken. Das ist umso unverständlicher, weil man aus den Endgame-Fehlern der Konkurrenz hätte lernen müssen.

Zum Schluss möchte ich ganz ehrlich sein: Wenn es nicht ein Test gewesen wäre, hätte ich mit Anthem bereits im Verlauf der Story abgeschlossen. Die ständig identischen Abläufe, spielerischen Unregelmäßigkeiten und technischen Patzer nervten mich enorm. Möglicherweise baut Bioware auf dem ordentlichen Fundament noch ein wirklich rundes Spiel auf – es würde mich freuen. Bis jetzt ist Anthem jedoch kein großes Spiel, sondern nur ein großes Versprechen, das nicht eingehalten wurde.

 

GamersChoice Wertung

Getestet: Anthem

Das ist es: Der lang erwartete Open-World-Loot-Shooter von Bioware!

  • Handlung
  • Grafik
  • Sound
  • Gameplay
  • Motivation
  • Multiplayer
3.8

Fazit

Es bieten sich so viele Chancen, aber Anthem lässt sie alle liegen. Immer wieder blitzt etwas Klasse auf, vor allem bei der Action und der Spielwelt. Doch dabei bleibt es leider, und das enttäuscht mich am meisten.

Pros

  • launige Schießereien
  • hübsche, weitläufige Spielwelt
  • vier unterschiedliche Javelin-Klassen

Cons

  • enorm repetitive Abläufe
  • langweilige Kampagne
  • kaum Bossgegner
  • dröges Loot-System
  • Pop-ups und Ruckeln (PS4 Pro)
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